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Sehnsucht nach Luxus

Nun ist es schon wieder fast einen Monat her, dass ich etwas zusammenhängend geschrieben habe, etwas nachlässig, denn schon beginnt Erlebtes wieder zu entgleiten,  ach, wer war das, wo haben wir denn diese oder jenes gesehen?...

Nun denn, stehen geblieben war ich  bei der Bahnfahrt durch die Serra do Mar am   26. Mai 2011.

 Es war kalt geworden in den letzten Wochen, dazwischen gelegentlich ein paar warme Stunden am Nachmittag der kurzen Tage, die Sonne geht schon kurz nach 17:00 unter. Wir wollen zurück nach Norden, in die subtropischen, die warmen Gegenden, wo man auch am Abend noch die laue Wärme des Tages auf der Haut spürt. Zudem hat sich das Bedürfnis nach einer heißen Dusche, ja, sogar nach einer Sauna eingeschlichen, Sehnsucht nach etwas Luxus! Also beschließen wir nach Santos zu segeln, diesem riesigen Hafen, der die Industriemetropole Sao Paulo versorgt. Dort gibt es einen richtig luxuriösen Yachtclub, der dem Gastsegler seine ganzen Annehmlichkeiten für drei Tage kostenlos zur Verfügung stellt, danach kostet es allerdings so richtig viel Geld pro Tag.

Bis Santos sind es 160 Nm. Mit der Ebbe laufen wir in den Morgenstunden aus, der Wind weht kräftig aus Süd-Süd-Ost an sich  genau richtig, nur müssen wir erst mal aus der Zufahrt der Bucht von Paranagua heraus, eine Zufahrt die  fünf Meilen lang genau gegen den Wind läuft, hindurch zwischen flachen Sandbänken auf denen sich die atlantischen Wellen brechen. Große Frachtschiffe begegnen uns, wobei wir uns dicht an den südlichen Rand des engen Fahrwassers drängen müssen. Außerhalb des Fahrwassers wäre es selbst für unseren flachgehenden Katamaran zu gefährlich, die Sandbänke sind unkalkulierbar in ihrer Höhe und Lage, selbst die Fahrwassertonnen müssen ständig überprüft und neu verlegt werden, weil die wandernden Sände sie verschieben. Eine hohe und steile See steht uns entgegen. Unter Maschine gehen wir gegen Wind und Welle an, immer wieder gestoppt durch die steilen  zwei bis drei Meter hohen Wasserwände, die der Wind, der mit 40 Km/h Geschwindigkeit pustet, der Ebbe entgegen drückt. Ohne den Ebbstrom würden wir auf der Stelle treten, doch mit seiner Hilfe schaffen wir die fünf Meilen in knapp zwei Stunden in denen das Schiff heftig stampfend sich nach Osten kämpft.

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Doch dann, endlich ist die letzte Fahrwassertonne gerundet, das Deck  gewaschen von der Gischt der brechenden Seen, und  sauber glänzend fallen wir ab, setzen die Genua und nehmen mit Rauschefahrt  Kurs aus Santos. Tiefziehende Wolken, einige Schauer, und eine langgestreckte achterliche  See begleiten uns.

Der Wind hält sich auch über Nacht, meist  kontinuierlich, wir kommen fix voran und am nächsten Tag laufen wir einige Minuten vor Sonnenuntergang in die Marina des Iate Clube  Santos ein. Von Santos haben wir wenig gesehen; eine diesige Stimmung liegt über der abendlichen Stadt, die  sich kilometerweit erstreckende Hochhaus Silhouette verschwimmt   mit der Küste und den Bergen im Hinterland.

Ein Boot des Yachtclubs geleitet uns zu einem Liegeplatz an einer isoliert stehenden Steganlage, von der aus das Serviceboot den Gast auf Anruf hin abholt, rüber zum Club bringt und einen regelmäßigen, 24 stündigen Taxidienst  durchführt.

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Und tatsächlich verfügt der Club über gediegene Duschen mit warmen Wasser und einer Sauna, die sogar in Betrieb ist mit uns als den einzigen Gästen, schnurr!  Und schnurr weil die hiesige Etikette verlangt, dass man in der Sauna ordentlich bekleidet ist, d.h. die Männer meist mit den bis über die Knie reichenden Boxershorts! Gott sei Dank egal wenn keine Brasileiros dabei sind. Santos, diese hochhausbeladene  Großstadt interessiert uns nicht die Bohne, aber der pure Luxus sich in der Dusche und Sauna zu aalen… wunderbar.

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 Vor der Sauna liegt der Pool, sorgfältig von Laub und Dreck reingehalten, und auch hier keine weiteren Gäste, es ist Wochentag und die Saison ist an sich vorbei.

Am Steg gibt es Süßwasser und so ist auch mal wieder ein Wäschetag von Nöten, die Schoten eignen sich gut als Wäscheleinen.


An der Poolbar gibt es auch Internetanschluss, mal schauen was in den Emails ist, wie das Wetter wird und Freund Werner schreibt uns, dass wir uns leider nicht treffen können, ein Krankheitsfall in der Familie, wirklich schade, er wohnt oben in Sao Paulo und wir hätten ihn gerne  wieder gesehen.

Die Marina  liegt an einem Seitenarm der in die Ilha Santo Amaro hineinführt, gegenüber von Santos. An den Flussufern reihen sich die Hafenanlagen, auf der Reede liegen 46 Schiffe in Warteposition, ein ständiges Kommen und

Gehen belebt den Fluss. Neben der Großschifffahrt sind auch die allgegenwärtigen Schoner zu sehen die maritimes Ambiente als Lockmittel für Touristenrundfahrten nutzen; aus der Distanz all dies ein anregender Anblick, nur hinein begeben in den Trubel insbesondere der Großstadt gegenüber wollen wir uns nicht.

Der Weiterfahrt steht dann leider eine Motorpanne im Wege, die Steuerbordmaschine will nicht anspringen, der Anlasser streikt. Ich checke die Kontakte, kann nichts finden, lege eine Leitung neu,  befürchte, dass der Magnetschalter im Eimer ist, finde heraus, dass dieser nur mit erheblichem Aufwand heraus zu bauen ist und frage deshalb erst mal nach einem Mechaniker im Marina Büro. Der kommt auch schnell schaut sich das an und findet doch noch einen Kontaktfehler, die Maschine läuft wieder und Geld will er für so eine Bagatelle auch nicht, ein wirklich freundlicher Mensch und ich komme mir richtig bescheuert vor, dass ich den Fehler übersehen hatte…

Wir verlassen Santos nach drei Tagen bei Sonnenaufgang, das morgendliche Licht beleuchtet die Stadt in freundlichster Weise, das alte Fort gegenüber von Santos, der daneben gelegene  Fischerort und auch die Hochhauskulisse der Großstadt wirken heute freundlich.

 

 

 

 

 Nach unseren Reiseführern soll es in Brasilien einige wenige sehr Reiche und ansonsten fast nur Arme geben, die Mittelschicht spiele keine Rolle. Wenn wir allerdings die Küstenbebauung betrachten, überall Hochhäuser mit Luxuswohnungen, Strandvillen und Wochenendhäusern, und dies nicht nur nahe der Metropolen  sondern an der gesamten Küste soweit wir sie bislang gesehen haben, so scheint es uns doch, dass diese Land inzwischen sehr viele wohlhabende Menschen und Familien haben muss. Dies mag oben in Amazonien anders sein, doch die Massen leben hier  und nicht im Urwald.

Nach Verlassen der Stadt hat uns dann  bald der Atlantik und eine grüne Küste  wieder, ein durchatmen und Freude im Gemüt.

Bunte Fischerboote bei der Arbeit, ein windig warmes Wetter, schönes Segeln!

Unser nächstes Ziel ist die Ilha Bella. Fast die gesamte Insel ist ein Naturschutzgebiet mit Wanderwegen, Wasserfällen, Stränden und Pousadas die vielfach nur mit dem Boot erreichbar sind. Strandvillen und einfache Wochenendhäuser säumen die Ufer, einige mit eigenem Slip für das Boot und einem Lift hoch zum Haus, man gönnt sich ja  sonst nix. Die Insel hört auch auf den Namen Ilha de Sao Sebastiao, der höchste Gipfel ist 1375 Meter hoch und meist in den Wolken. Die nur geringe gemeldete Wohnbevölkerung wird natürlich von den Gästen und den nicht gemeldeten Bewohnern weit übertroffen; das Rennen machen allerdings die Moskitos von denen hier eine besonders aggressive Art beheimatet ist, deren Stiche dicke, nässende und tagelang schmerzhafte Quaddeln hinterlassen.

 Zwischen dem Festland und der Insel verläuft eine kanalartige Meeresenge in der  Wind entweder von Süden oder von Norden pfeift, meistens gibt es guten Wind hier weshalb dies auch der Ort mit den meisten Segelbooten und sogar internationalen Regatten ist. Die Wettfahrten werden vom IATE CLUBE ILHA BELLA aus organisiert und wir haben das Glück, dass dieser Tage  Mitsubishi eine Regatta sponsort mit schnellen Booten, sportlichen Crews und abendlichem Freibier für alle die vorbeikommen. Sieben bis zehn Mann  Besatzung haben die Boote, je nach Gewicht der Männer und sogar einige Frauen sind dabei. Es wird freundlich gesegelt, kein

 Geschrei an der Wendemarke,  nirgends der Eindruck, dass um jeden Preis gewonnen werden soll, es geht recht entspannt zu. Die Boote sind eine 11 Meter lange Einheitsklasse, alle gleich ausgestattet nur im Design

unterscheiden sie sich. Unser Design- Favorit ist die Panther.

Einen Tag nehmen wir uns für eine Inselwanderung zu einem der Wasserfälle und durch die kleine Stadt am Ufer. Der Wanderweg geht durch den Urwald, schlammig, Wurzelwerk kreuz und quer, neben dem Weg könnte man nur mit Hilfe einer Machete und viel Geduld durchkommen, die Pioniere in diesem Lande haben schwer arbeiten müssen um  dem Urwald Felder und Straßen ab zu ringen. Von den zahlreichen Wasserfällen besuchen wir nur einen, der natürlich zu einem Bad einlädt, Wanderern begegnen wir nicht, so sehr bewegungsfreudig sind die Brasilianer nicht, für Natur haben sie auch (noch) nicht so viel übrig, vielleicht weil sie so viel davon haben. Die Bäche und Wasserfälle führen alle trinkbares Wasser in Mineralwasserqualität, während der häufigen Regengüsse verwandeln sie sich in reizende Flüsse, die ganze Baumstämme entwurzeln und zur Küste schwemmen, wo sie uns  zuvor auch schon als schwimmende Hindernisse im Ozean begegnet sind.

 

 

 

Die Stadt ist klein, Schule, Kirche, Läden, Kindergärten alles überschaubar.

 Die Busse fahren in jede kleine Gasse, wer aus oder zusteigen will kann dies auch außerhalb der festen Haltestellen.

Dem maritimen ist auch die Kirche des Ortes fest verbunden, Jesus auf dem See Genezareth mit den Fischern  steht an prominenter Stelle. Warum er allerdings als einziger an Bord nicht mit anpackt, bleibt das Geheimnis der Frommen, vielleicht um nicht das strahlende Weiß seines Gewandes zu beschmutzen?

Früher hatte man auf der Insel als wichtigstes Ausfuhrgut Cachacha Schnaps destilliert und dann auf Voga Kanus nach Santos exportiert. Diese Kanus  waren Einbäume bis zu 15 Meter lang und mit max. 7 Ruderern  bemannt; sie waren bis in die fünfziger Jahre des 20.Jh. das Haupttransportmittel an der Küste und auf den Flüssen, den Mangrovenbuchten. Heute sieht man diese Kanus auch noch, jedoch nur die kleinen auf den Flüssen. Die größeren

 wurden von Motorbooten abgelöst.

Die Weiterfahrt  zur Bahia do Ilha Grande  ist nach einem lauen Auftakt dann  wieder sehr windig, Gott sei Dank aus der richtigen Richtung; es pustet mit 25 Knoten aus Süden, 75 Seemeilen  in 12 Stunden sind ein guter Schnitt. Böig kommt der Wind aus Süd und Südwest heran gepfiffen  wir müssen häufig reffen und wieder setzen, Segeln mal als Sport. Die Wolken, der Regen, Regenbogen und die dazwischen scheinende Sonne bieten kontrastreiche Lichterspiele.

 

 

 

Kurz vor der Dämmerung laufen wir in den Eingangsbereich der Bahia ein; eine Yacht kommt uns entgegen, stampfend mit dem Bug reichlich Wasser

 

 

löffelnd, gegen den Wind  wo die wohl noch hin wollen?

Wir brauchen noch zwei Stunden bis zum Ankerplatz, einer Bucht in der wir schon vor sechs  Wochen mal waren, die wir auch bei Dunkelheit gefahrlos anlaufen können.

 

Am Ankerplatz liegen schon Freunde von uns, Silvio und Belinda mit der „Bab y Sac“, einer Yacht aus Argentinien, die wir zuvor schon in Paranagua getroffen hatten.