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erste Erfahrungen in Brasilien

Ankommen, Vitória

19.03.2011, Erste Dinge in Brasilien…

Wir sind jetzt seit einer Woche in Brasilien, die letzten Tage auf See waren stark windig und regnerisch, jedoch warm, etwas Shampoo ins Haar, ab aufs Deck und schon gab es die Dusche mit Weichspüler, all in.

Landfall haben wir in Vitória gemacht, einer - auf der Landkarte – kleinen Stadt 200 Meilen nördlich von Rio, die

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sich jedoch als ausgewachsene Großstadt mit vielen Stadtteilen, Hochhäusern, Industrie und dem zweitgrößten  Erzverladehafen der Welt entpuppte. Wir hatten gelesen, dass hier die Bürokratie sehr freundlich ausfallen würde und in der Marina. sogar englisch gesprochen würde, stimmt auch alles, wie wir in der letzten Woche lernen konnten. Vier Tage lang und 15 Beamtenarbeitsstunden brauchten wir bis die Einreiseformalitäten bewältigt waren. Man erklärte uns, dass wir in diesem Jahr und auch lange [zuvor die erste Yacht seien, die Vitoria  direkt vom Ausland kommend angelaufen habe, wie man einen so komplizierten Fall handhabe muss gewissenhaft erforscht werden, so spontan weiß das keiner und mit einen bürokratischen Fehler will natürlich keiner seine Karriere perforieren.

Und bei solchen Gelegenheiten können Menschen auch recht wichtig werden, die älteren mit Bügelfalten und Schnurrbärten militärischer Präzision nachdenklich die Stirn runzelnd mit aufgeworfener Unterlippe auf die großen Schwierigkeiten hinweisend, die solch ein Ansinnen mit sich bringt, doch- welch Segen!- mit ihrer Position und Erfahrung werden auch diese Hürden, eine nach der anderen, jeden Tag eine, zu nehmen sein.

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Andere, jüngere, eher legere gekleidete mokieren sich über den Verwaltungsgriesbrei, zeigen, dass sie – wenn sie erst mal hier das Sagen haben werden – alles effektiver und fixer erledigen werden, es könne doch nicht sein, dass das elektronische Einreiseformular der Zollbehörde unterschiedlichste Schifftypen wie Frachter, Fischer, Passagierdampfer etc. kenne, aber keine Yachten! Und ohne dieses vollständig auszufüllende Formular kann der Computer nicht den Zoll errechnen, den wir zahlen müssten, wenn wir das Schiff hier verkaufen wollten. Nicht dass dieses überhaupt zur Diskussion stünde, aber diese Information müssen wir erhalten, ist eben Vorschrift. Am Ende werden wir gefragt, wie viel denn das Schiff so wert sei… Und so werden händisch 62 Papierseiten in vier Amtsstuben erstellt, mehrfach kopiert, mit bedeutungsvoller Mine geprüft und dann archiviert in einem System das keiner mehr beherrscht, denn heutzutage habe man ja Computer...

Unsere Aufgabe dabei ist es die Weg zu machen, immer wieder zwischendurch im Marinabüro zu erscheinen, denn dort arbeitet Kecia Broetto Dantas, kein Lob wird ihrer Freundlichkeit uns und ihrer Hartnäckigkeit den Behörden gegenüber gerecht. Kecia telefoniert, ebnet Wege, erklärt uns Paragraphen, recherchiert die Rechtslage, schreibt mit ihrer ungelenken linkshändigen Kinderhandschrift Gesetzestexte auf, die wir dann beim Hafenamt vorlegen müssen, denn diese kennen die neuen Regularien ( erst seit zwei Jahren in Kraft) noch nicht. Und natürlich staunen wir mit großen, das behördliche Ego  anhebenden Kinderaugen über den jeweiligen Fortschritt, der täglich erzielt wird. Bei all dem sind die Leute wirklich bemüht, freundlich, keiner will uns schikanieren, sondern wirklich helfen, ein gewaltiges Investment in Freundlichkeit zur Kompensation der Zeit.

20.03.2011, Alltäglichkeiten

Wir liegen mit unserem Schiff vor dem Hafen an einer Boje, so dass keine direkten Nachbarn in unseren Schrebergarten schauen können. Wenn wir an Land wollen, wird das Beiboot ins Wasser gelassen, nicht vergessen, Klamotten anziehen und der Landgang, Stadtbummel, Einkaufstour kann losgehen. Am besten am frühen Morgen, denn gegen Nachmittag regnet es meist heftig, wie aus Kübeln kommen Wasserwände vom Himmel, in den fernen Bergen entladen sich Gewitter, während im flachen Wasser Fischer mit einer Engelsgeduld große Netze fächerartig auswerfen.

Nach der Bürokratie sind wir auch noch beim Figaro gewesen, blöderweise ohne nach den Preisen zu fragen, eine teure Unterlassungssünde, in Wien im ersten Bezirk zahlt man weniger! Aber gut

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geschnitten und gefärbt haben sie uns, mein semmelblond ausgeblichener Schopf mit seiner silbernen Basis hat wieder den mittelblonden Ton meiner jüngeren Erwachsenenjahre, das gefällt mir entschieden besser und Helga auch. Und Helga hat wieder ihre geliebten roten Strähnen im Haar, selbst der Spiegel lächelt uns wieder an. Unterwegs haben wir keine Wäsche gewaschen, wir dachten hier gibt es sicherlich preiswerte Wäschereien wie in Südafrika auch, Bettzeug und Handtücher zumeist, die anderen Klamotten wurden ja nur anfangs in der Nacht benötigt. Nur hier gibt es in der Nähe nur eine Do it yourself Wäscherei, die zudem noch teuer ist, eine Maschine voll kostet 8 Euro! trocknen kommt auch noch hinzu und so sind fix mal wider 80 Euro futsch, das Land können wir uns nicht lange leisten.

Hier ist alles verschwenderisch grün, Wälder, Palmen, Büsche, Ranken Blumen, leider auch das Wasser in der Bucht. Und warm ist es, feucht- warm, jede Textilfaser ist schon zu viel.

Touristisch gibt es hier nicht viel zu sehen, obwohl die Stadt eine der ältesten Brasiliens ist.

Doch wir haben genug zu tun, das Logbuch fertig stellen, die Bilder der Reise bearbeiten, Emails schreiben gemeinsam schlafen gehen und aufstehen, das ging während der Überfahrt nicht, denn einer musste ja ständig Wache halten! Die Internetverbindung hier ist recht gut, eine wahre Freude, denn in Südafrika war diese so langsam, dass wir mit der Weiterführung unserer Website ins Hintertreffen gerieten.

Die Preise  haben uns hier böse überrascht, es ist alles recht teuer, wie in Deutschland und manches sogar noch teurer. Da denken wir mit etwas Wehmut an Südafrika, wo Lebensmittel und all die Alltäglichkeiten nur die Hälfte kosteten. Doch da wir an Bord leben brauchen wir nur selten Transportation, Restaurants oder andere Dienstleistungen, Brot backen wir selber nur das Bier können wir nicht brauen. Wer hier kein Geld hat ist wirklich arm. Bin gespannt ob dies überall in diesem Lande so ist, oder ob es sich hierum betrübliches Lokalkolorit handelt.

Über unsere Reise haben wir einiges geschrieben und mit Bildern garniert auf die Website gestellt, brauchst nur Atlantikpassage an zu klicken!

Einige Tage werden wir hier noch verweilen, dann geht es weiter nach Florianópolis im Süden. Und von dort aus wollen wir dann in Ruhe die Küste Schritt für Schritt nach Norden bis zum Amazonas besuchen mit Ausflügen ins Hinterland hinein. Irgendwann im späten Sommer oder auch Herbst ist dann wieder ein Europabesuch angesagt, sofern wir genügend Arbeitsaufträge bekommen um die Reise zu finanzieren, denn das Geld ist uns doch recht knapp geworden durch die Refit-Kosten der Twiga, die sich auf der Überfahrt bestens bewährt hat.

Und nun noch ein paar Bilder aus der Stadt und an Bord.

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]23.03.2011, erste Begegnungen

Wir liegen an der Mooring außerhalb der Marina und ca. 300 Meter weiter liegt eine schlanke gelbe Oldtimeryacht, mit Dschunkenrigg. Von der Crew ist wenig zu sehen, kein Wunder denn diese besteht nur aus einer Frau, Shirley Carter aus Kapstadt.

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Shirley ist seit neun Jahren einhand auf dem Atlantik unterwegs, war die letzten zwei Jahre in Brasilien, Uruguay und Argentinien und segelt jetzt Richtung Karibik, begleitet von ihrem Bordkater. Shirley strahlt  innere Ruhe aus, sie ist klein und zierlich, würde in einem gepflegten englischen Garten zur Tea Time genau so passen wie an die Riemen ihres Dinghis mit dem sie von Bord zum Landungssteg der Marina rudert wo wir sie das erste Mal treffen Wir verbringen gemeinsam einen Abend bei ihr an Bord ihrer „Speedwell of Honkong“,behaglich eingerichtet, frei von allem komplizierten technischen Ausstattungen, eingerichtet für das Einhandsegeln, auch wenn gelegentliche Gäste eine Koje an Bord finden können. Sie hat uns sehr beeindruckt in ihrer ruhigen unspektakulären Art, mit ihrem eher stillem Humor. Auf ihrer Website finden sich recht ausführliche und spannend zu lesende Berichte von ihren Reisen mit der Speedwell neben persönlichen Informationen, die sicherlich treffender sind als meine Beschreibungen.

Auch über Rolf wollen wir berichten, Rolf segelt mit seiner 44 Fuss Reinke seit zehn Jahren, in den letzten Jahren in Brasilien, zusammen mit seiner brasilianischen Frau Jazinta. Rolf hatte sich sein Schiff selber gebaut, von Haus aus Ingenieur brachte er auch den wünschenswerten Sachverstand mit.

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Sein Schiff ist sehr wohnlich und funktionell ausgebaut, großzügiges Raumgefühl kombiniert mit optimaler Platzausnutzung. Zwei schöne Abende verbringen wir miteinander, Jacinta spricht nur Portugiesisch, doch das Verstehen ist einfacher als das Sprechen , mit Händen Füßen und Rolfs Übersetzungen kommen wir zueinander.

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Rolf und Jacinta waren langer in Belem, jetzt sind sie auf dem Weg nach Südafrika, das trifft sich gut denn so können wir aktuelle Erfahrungen, Adressen und Tips austauschen. Jacinta ist noch etwas zauderlich, da der südliche Weg über den Atlantik etwas rauher als unsere Strecke ausfallen kann, doch ihr Schiff ist sicherlich auch für etwas ungemütlichere Touren voll tauglich.

 

24.03.2011 , verweilen- doch die Notwendigkeiten…

Bürokratie erledigt, und wir dachten dann sind wir neugierig auf dieses Land, Ausflüge machen, Land und Leute kennen lernen…

Doch wir sind noch gar nicht neugierig.

Es war so viel im letzten Jahr, fast ohne Atempause Bootskauf, Wohnungsauflösung in Wien, Südafrika, Refit Arbeiten, wieder retour nach Europa, Arbeiten, Hochzeit, wieder Südafrika, Safari, liebe Besucher und die Atlantiküberquerung… Hilfe lass es doch mal auch ruhig angehen, mal etwas Zeit ohne neue Eindrücke, mal reflektieren, verweilen ohne irgendeinen Anspruch von innen oder außen.

Mal schauen wie wir dies geregelt kriegen, denn es ist noch einiges zu richten, heute Morgen ging das Gas zu Ende und das Gewinde des Anschlusses ist defekt, überdreht, Ersatz ist nicht an Bord, mal sehen wo es hierfür einen Laden gibt. Eine Relingsstütze ist gebrochen, muss geschweißt werden, die Wanten nachgespannt, die Bordauslässe umgebaut werden, halt Dinge die auf der Jungfernfahrt aufgefallen sind, nix ungewöhnliches, doch im Augenblick haben diese Kleinigkeiten den Charakter von Gebirgen.