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Können Steine Lächeln?

Kea

 

Auf Kea lächelt ein Stein!

 

 

Steine bestimmen den Charakter der Landschaft der griechischen Inselwelt. Steine, die sich aus dem Meer erheben, Land, Schutz, Lebensgrundlage für Menschen seit Generationen sind. In mühsamer Arbeit wurde Stein auf Stein geschlichtet, das Geländer terrassiert, Gärten angelegt. Sorgfältig geschlichtete Steine wurden zu Wohnstätten und Abgrenzungen. Aus Steinen wurden Tempel gebaut, Statuen gemeißelt.

Fast aller der sanften Hügel der Kykladeninsel Kea sind terrassiert. Die Terrassen prägen die Landschaft der Insel, sie sind Grundlage für die landwirtschaftlich Nutzung seit der Antike, sie sind steinerne Zeugen der Bemühungen und der Unermüdlichkeit der Menschen die hier lebten. Inmitten dieser kultivierten Natur ragt ein riesiger Stein aus der Erde der lächelt, ein Fels der die Gestalt und das Gesicht eines Löwen hat.

Ein Löwe auf Kea

Der berühmte Löwe auf Kea ist nicht Beutegut aus Ägypten, er ist auch nicht aus edlem weißem Marmor aus Thassos gefertigt, er ist ein Teil der Insel, ein Fels aus dem ein Mensch vor 2500 Jahren mit nur wenigen Eingriffen einen Löwen gestaltet hat, dessen Körperhaltung Gelassenheit demonstriert, auf dessen Gesicht ein unergründliches Lächeln liegt. Heutzutage eilen Horden von Touristen zu ihm, stellen sich in Pose, ein verkrampftes Lächeln, ein Klick und weg sind sie wieder.

Ich habe eine griechische Touristin gefragt, warum dieser Löwe hier inmitten der Natur liegt und gelassen lächelt. Sie erzählt mir, dass die Götter den Löwen geschickt haben, um dem freudvollen Treiben der Nymphen die hier lebten ein Ende zu bereiten. Die Nymphen sind samt ihrer Quellen verschwunden, das Land ist vertrocknet. Dank göttlicher Hilfe gibt es jetzt wieder viele Quellen auf Kea und auch das Wissen wie man das fruchtbare Land nutzt. Und warum lächelt der Löwe? Ist es das Lächeln als er die Nymphen so freudvoll leben sah, das versteinerte als die Schönen verschwanden? Ist es das Lächeln des Künstlers, das er mit seinem Werk verewigte? Entdeckte der Künstler einen lächelnden Stein, dem er Gestalt gab?

Wissenschaftlich erwiesen ist, dass dieses Kunstwerk vor 2500 Jahre entstand. Der Phantasie bleibt es überlassen über den Löwen und seinem Erschaffer Geschichten zu erzählen. Nicht die bindende Wahrheit, die Freiheit macht den Charme einer guten Geschichte aus, die viele Wahrheiten in sich birgt. Ich phantasiere und stelle mir vor, ein Mensch ist bei der mühseligen Arbeit Stein auf Stein zu schlichten um der unwegsamen Landschaft ein Stück Land abzuringen, ein riesiger Felsen ist ihm im Weg, nein -es ist kein Felsen, in der Phantasie des Menschen ist es ein Löwe, es braucht nur wenig um ihm Leben einzuhauchen, eine Seele zu geben, und dieser Mensch verewigt im Löwen sein Lächeln. Der Löwe hat das Lächeln des Künstlers, ich glaube auch, dass das unergründliche Lächeln der Mona Lisa nicht ihr Lächeln ist, sondern das Lächeln des Leonardos, das er bei der Arbeit am Portrait der schönen Frau in sich trug.

Ich habe mein Lager beim Löwen im Schatten des steilen Hügels aufgeschlagen und eines seiner Geheimnisse entdeckt:  Nur zur Mittagszeit, in der Zeit wo die Touristen Siesta machen, wird das Lächeln des Löwen vom Licht der Sonne erleuchtet.

Fahrtensegler auf Kea

Für Kea braucht man Zeit. Wir haben Zeit, wir sind als Langzeitsegler unterwegs, als Fahrtensegler, unser Transportmittel ist ein kleines Segelboot. Menschen mit der Charakteristik von Fahrtenseglern trifft man auch an Land, denn Fahrtensegler sind nicht nur Segler die Zeit haben, es sind Menschen die Freude am direkten und am sinnlichen Erleben haben und die in ihrem Tun begeisterte Dilettanten sind und Generalisten als Unternehmensberater.

Der Landgang auf Kea macht Freude, es gibt hier sogar viele markierte Wanderwege, erfrischende Quellen, Tamarisken, Brombeersträucher, Mandelbäume, Olivenbäume, Weinstöcke die unter Olivenbäumen wachsen, Granatäpfel und Zitronenbäume, riesige uralte Eichen und das Meer ist immer nah - die Insel ist auch nur 18 km lang und 9 km breit. Viele der Wege führen zu kleinen einsamen Badebuchten.

Der Wanderweg  mit der Nummer 1 endet an der Küste am breiten Sandstrand von Otzias  und beginnt in der malerisch am Berghang gelegenen Hauptstadt Ioulidha in der Autos keinen Zugang haben, zu hoch sind die Treppen und zu verwinkelt und eng die Gassen. Ioulidha, die Chora von Kea wurde als Schutz gegen die Piraten in den steilen Berghang gebaut mit Aussicht auf das Meer. Die Stadt ist so verwinkelt, so verwirrend und schwer zugängig angelegt, dass sie nie geplündert wurde. Heute sind die Tore weit offen, die fremden Besucher bringen Geld in die Stadt, es ist ein romantischer Platz um den Sonnenuntergang zu genießen. Weg Nr. 1 führt vom Kirchenplatz Richtung Osten aus der Stadt hinaus zum Friedhof. Das Tor ist offen, die großen schachtelartigen weißen Marmorgräber lassen die Assoziation von modernen Miniaturhäuser mit Plastikblumen zu, die Bilder der Bewohner wirken wie Fenster aus denen sie grüßen, es ist eine freundliche, gepflegte Stadt der Toten. Weiter führt der gepflasterte schöne Wanderweg, es ist ein alter Kalderimi ,beim steinernen Löwen vorbei zu einem großen ebenen Platz, wo eine alte ausladende Platane Schatten und eine schön gefasste Quelle mit dreizehn Trögen fürs Vieh Wasser spendet- ein Versammlungsort und Rastplatz seit Jahrhunderten, auch heute holen Bewohner aus entlegenen Häusern Wasser von hier. Zwischen kunstvoll geschlichteten Steinmauern führt der Weg hinab zu Küste, grandios ist der Ausblick über Land und Meer.

Nordeuropäer verirren sich nur selten auf die griechische Insel Kea, die nordwestlichste Insel der Kykladen. Die Touristen sind Griechen, sie kommen vor allem aus dem nahen Moloch Athen, denn in nur 1 Stunde ist man mit der Fähre von Lavrion auf dem Festland im Hafen von Korissia. Leute aus Athen bauen sich hier ihr Landdomizile, viele neue Häuser sind in den letzten Jahren  mitten in der Natur entstanden und sind noch im entstehen. Die neuen Häuser wirken jedoch nicht wie Fremdkörper in der Landschaft, sie sind dem Gelände angepasst und wie in alten Zeiten aus den Steinen der Insel gebaut, so dass sie sich harmonisch oft kaum merkbar in die Landschaft einfügen. Die Skelette der Baustellen mit ihren Betonsäulen erinnern mich an antike Tempel. 1600 Einwohner leben ständig auf Insel, sie leben von der Landwirtschaft, der Fischerei  und die Gäste aus dem nahen Athen.

Politiker auf Kea

Man erzählt, dass in der Antike Aristides der erfolgreiche Feldherr der Schlacht von Maratho hier einmal gelebt habe. Aristides war geschätzt für seine Gerechtigkeit, Unparteilichkeit und Unbestechlichkeit, sodass fast alle griechischen  Staaten mit den Athenern in den Bund traten und Aristides zum Führer gegen die Barbaren erkoren. Um die Barbaren schnell vertreiben zu können, setzte Aristides fest, welchen Geldbeitrag jeder Staat im Bund zur Erbauung von Schiffen und für die Rüstung von Heeren leisten musste -  460 Talente waren es, die dafür jährlich zu der gemeinsamen Schatzkammer auf der Insel Delos gebracht wurden. Angeblich führte Aristides auch das Gesetz „Kion to Nomimon" ein, gemäß diesem Erlass durften sich die Bürger nach ihrem 70. Lebensjahr selbst vergiften, nachdem ihre geistigen und körperlichen Kräfte für den Staat nicht mehr von Nutzen waren. Die betroffenen Personen mussten den Staatsführern die Gründe ihrer Entscheidung mitteilen und je nach Ermessen dessen wurde die Erlaubnis gegeben, sich das Leben zu nehmen. Wie bei einem familiären Fest versammelten sich die Mitbürger zu einem gemeinsamen Umtrunk, und einer kippte pflichtbewusst den Schierlingsbecher. Diese Sitte soll bis ins 3. JH v Chr. auf Kea gelebt worden sein. Eine solche Lösung für das Problem der überalternden Bevölkerung in Nordeuropa  lässt Menschen und Politiker heute erschaudern.

Einige Menschen geben heute freiwillig ihren festen Landsitz auf, leben auf dem Meer, mit 70 Jahren oder auch schon ein bisschen eher -und diese Menschen sind geistig und körperlich fit und vital - es sind die Fahrtensegler.

Persönliches von Kea

Das  Hotel Karthea im Hafen von Korissia ist ein guter Platz um Kea zu entdecken. Die Zimmer sind groß, freundlich und individuell eingerichtet, die Besitzer und das Personal ausgesprochen bemüht und freundlich. Ich habe ein kühles, ruhiges Zimmer in den Garten mit Internetanschuss, genieße den Luxus von Badewanne und unendlich viel Süßwasser, recherchiere und schreibe Geschichten von Mönchen und Mönchsrobben, Fahrtenseglern, Löwen die lächeln, Menschen im Sturm und bekämpfe damit meine Landkrankheit.

In 2 Tagen heuere ich wieder an, als Matrosin auf der Twiga.

www.hotelkarthea.gr

hotelkarhea@gmail.com