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Wasserfälle, Zapatisten und ein gräflicher Walmdachbungalow auf der Pyramide

palenque
Blick von der gräflichen Pyramide

 Montag, den 09.03.2009  

Der Wecker lärmt pflichtgemäß um 06:00 los, wir werden vor dem Hotel abgeholt. In einem Kleinbus geht es mit 20 weiteren Reisenden  nach Palenque, einer archäologischen Wallfahrtsstätte, mit die älteste in Mittelamerika, hier wird seit dem 18. Jh. gebuddelt, kaum dass der Humanismus sich selber erklärt hatte. Unabhängig von einem solchen hehren Ziel behindern zahlreiche Topes    das edle Streben dorthin, die Strecke zwischen San Cristobal nach Palenque soll die meisten Bodenwellen pro Kilometer auf der ganzen Welt aufweisen, ich würde gerne wissen wer einen solchen Unsinn mal gezählt hat.

In einigen Orten spannen Kinder  dünne Seile über die Straße, um die Autos anzuhalten und dann Geld zu erbetteln, das haben dann die Zapatisten von den Gören übernommen, denn dicht vor der Zufahrt zu den Aqua Azul- Wasserfällen steht eine Bretterbude, davor Männer in irregulären Uniformen, sogar bewaffnet, mit den Insignien der Zapatisten, Frauen sitzen auf der anderen Straßenseite und schauen ihren Männern zu wie sie dem Busfahrer eine Eintrittsgebühr für den Nationalpark abknöpfen. 500 Meter weiter kommt der offizielle Eingang zum Park und hier wird  „richtige“ Eintritt bezahlt mit Quittung, Uniform und Schlagbaum hoch.

Neben uns im Bus sitzt ein wohlgerundeter Herr von 61 Jahren, der Präsident einer Art Ärztekammer in Mexiko ist und sich auf Rundreise befindet zu den unterschiedlichen Sektionen seiner Organisation. Er meint es gäbe eben Eintritte, die dem Naturschutz dienen und natürlich solche, die politisch sind.  Im Übrigen wird im nächsten Jahr ein Jubiläum der mexikanischen Unabhängigkeit stattfinden und zu diesem Datum erwartet er einen revolutionären Umsturz in ganz Mexiko, da die Schere zwischen arm und reich mal wieder viel zu weit auseinanderklafft. Wir könnten aber ganz beruhigt sein, dem Tourismus würde das nicht schaden, na ja vielleicht wird auch dann das Militär eine Diktatur einsetzen, er zuckt mit den Schultern, man wird ja sehen. Er selber hatte als junger Mann auf Staatskosten studiert und musste danach einige Zeit in entlegenen Gebieten ärztlichen Dienst tun. Noch heute ist die Arztdichte auf dem Lande so gering, dass von einer geregelten Versorgung nicht die Rede sein kann, Ausnahme sind die Kampagnen zur  Geburtenkontrolle. Der Verdienst in der Basisversorgung ist auch so mies, dass sich nur wenige Ärzte finden, die diesen Weg gehen. Er selber möchte sich in einigen Jahren   auf das Land zurückziehen und dort noch arbeiten, seine 4 Kinder sind erwachsen, stolz berichtet er von deren Erfolgen. Er selber brauche nicht mehr viel, ihn ziert die Bescheidenheit mit der er von seinen Reisen nach China, Europa, seiner gesellschaftlichen Bedeutung und Unabkömmlichkeit berichtet… Die Chance, dass er seinen Traum vom einfachen Leben umsetzt scheint gering zu sein.

Auf dem Weg nach Palenque verlassen wir stufenweise das Hochland, es wird wärmer, die Vegetation erinnert immer weniger an europäische Mittelgebirge, zunehmend säumen tropische Pflanzen die Straße nachdem wir die Region des Kaffeanbaus durchfahren haben. Eine große Ranch passieren wir, große Schilder und Plakate stehen allenthalben und preisen die Übernahme dieser großen Anlage durch die revolutionären Zapatisten. Weiter zum Tiefland hin sind dann die Straßensperren der   Armee aufgebaut, die wir allerdings ohne weitere Kontrollen passieren.

Zwei Wasserfälle gibt es zu besichtigen: Aqua Azul und Aqua Clara. Der erstere ergießt sich über zahlreiche Katarakte mit türkisem Wasser  durch eine spektakuläre Landschaft aus Felsen, Gebirge und Urwald, an seinem Ufer verläuft ein Wanderweg, der gegenüber vom Fluss durch Souvenirbuden, Colaständen und Imbissen gesäumt wird, auch heute mehr Buden als Besucher, wovon die alle leben sollen ist mir unklar. Doch wenn man diesen den Rücken kehrt ist die Landschaft fast unberührt, Kolibri und Schmetterlinge schweben zwischen den Ästen und Blüten, ein honigartiger Duft liegt in der Luft, die Wasserfälle rauschen und etwas versprühende Nässe fliegt durch die Luft , sie sorgt für Kühlung. An einigen Stellen kann man auch baden, was uns allerdings nicht so sonderlich reizt, denn natürlich ist dies nur dort erlaubt, wo es garantiert auch für Nichtschwimmer ungefährlich ist und dann noch hinterher die nasse Klamotte zu verstauen freut auch nicht.

Aqua Clara: Der Wasserfall kommt aus ca 70 Metern Höhe und fällt in einen kreisrunden Pool. Hinter dem Wasserfall kann man hindurch wandern, es gibt noch eine kleine Höhle in deren Tiefe ein noch kleinerer Wasserfall zwei Einheimischen mit Taschenlampen ein Einkommen als „Führer“ sichert. Das Rinnsal, das aus der Höhle kommt lockt uns nicht hinein. Besucher gibt es hier einige, Touristen aus vielen Ländern, aber ein Gedränge entsteht nicht.

Zu den Ruinen von Palenque sind es   noch 20 Minuten Busfahrt, wir kommen gegen 14:00   an, die Ausgrabungsstätte wird gegen 16:30 geschlossen. Doch es zeigt sich, dass für unsere Bedürfnisse, die Zeit ausreicht, denn der ausgegrabene Anteil der gesamten Anlage ist recht überschaubar. Einige sind sehr gut erhalten, der Palast weist Wohnräume und Repräsentationsbereiche auf, anders als in Tikal, wo die freigelegten Gebäude fast nur rituell nutzbar waren.

 1787 kam Capitan del Rio als erster Europäer nach Palenque. Statt Gold und wertvollen Artefakten  fand er nur ein Sammelsurium von Gegenständen, die seinerzeit den Stellenwert von Kuriositäten und Exotika hatten. Seine 25 Zeichnungen fanden jedoch en Weg nach Europa, wo sie 1822 im Rahmen eines kleinen Buches gedruckt wurden. Hierdurch erhielt der Graf von Waldeck Kunde von Palenque. Abenteurer und Geschichtenerzähler, Hochstapler oder Fabulierer, er war eine schillernde Gestalt. Selbst über seinen Geburtsort machte er unterschiedliche Angaben ,auch seine Titel wechselten.

1825 unternahm der Graf eine Forschungsexpedition nach Palenque, wo er alsbald in der am besten erhaltenen Ruine der dortigen Pyramiden Quartier bezog, eine wahrlich großartige Wohnung. Oben auf der Pyramide steht ein bewohnbarer Tempel  mit drei Räumen. Das Dach sieht von außen aus wie ein Walmdach und in dieser Mischung aus Penthaus  und Walmdachbungalow logierte er mit einem phantastischen Ausblick über die Ausgrabungsstätte und das sich dahinter erstreckende Tiefland, denn die Erbauer dieser Stadt hatten sie landschaftlich wunderschön am Rande des Hochlandes  errichtet.

Und exzentrisch wie dieser Graf war, gestaltete sich auch sein Tod: er soll im Alter von 108 Jahren auf dem Champs-Elysees an einem Herzinfarkt verstorben sein, natürlich während er einer schönen Frau hinterher schaute. Und da macht sich Walser noch Gedanken um das Liebesleben des vergleichsweisen jungen Geheimrates!

Zu den Ruinen  fällt uns nicht mehr viel ein, vieles ist Wiederholung von anderen Orten und um die feinen Unterschiede zu begreifen müssten wir wesentlich detaillierter in die Materie einsteigen als es uns interessiert. Und mit unserem Tagebuch verbinden wir auch nicht den Anspruch den Baedeker zu ersetzen.

Der Bus setzt uns im modernen Palenque am Busbahnhof ab, gegenüber liegt ein sauberes Hotel mit bequemen Betten und Zimmern zu einem ruhigen Innenhof hin, dort bleiben wir für diese Nacht. Ein abendlicher Gang durch die recht hübsche Stadt beschert uns auf dem Kathedralenplatz ein lautes krächzendes Rabenkonzert zum Sonnenuntergang, gesungen von vielen hundert schwarzen Vögeln die in den Kronen der Bäume hocken und uns nach einiger Zeit des vergnügten Zuhörens vertreiben, da sie nicht nur Laute nach oben ausstoßen, sondern auch einiges nach unten fallen lassen.

Die Hauptstraße wird gerade neugepflastert, was den Vorteil hat, dass der Autoverkehr umgeleitet wird. Viele kleine Geschäfte  mit einem bunten Warenangebot haben geöffnet, sehr viele Kunden finden sich nicht ein, aber das scheint hier keinen zu stören. Eine Apotheke macht auf sich aufmerksam indem sie einen Darsteller in einem weißen rundlich prall gefülltem Kostüm und Maske als Karikatur des gütigen Pharmazeuten tanzen läßt; das Bild möchte ich meinem angeheirateten Cousin schicken, der als Apotheker in einer deutschen Kleinstadt nicht so recht weiß, wie er an genügend Kunden für ein gutes Einkommen kommen kann!

apotheker
der tanzende Apothekler von Palenque