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Krokodile, Tempel, Flüsse

Montag ,den 02.03.2009 bis Mittwoch, den 04.03.2009

Zeitig hoch und los. Am Busbahnhof bekommen wir schnell Anschluss nach Belize City, die Busse fahren hier häufig und recht zuverlässig, sind allerdings unkomfortabel, man bekommt nicht immer einen Platz und die Polsterung der Sitze ruft die Sehnsucht nach fett gepolsterten Arschbacken hervor, von denen es im Lande reichlich viele gibt, jetzt endlich erschließt sich der Grund dafür. Unter den Passagieren ist auch eine 62 jährige Frau aus Alaska, Lavenne, sie reist alleine, hat zwei erwachsene Töchter und einen geschiedenen Mann, der nach 25 Jahren glücklicher Ehe und gemeinsamer Arbeit einen Nervenzusammenbruch bekam, wieder zu trinken anfing und sich dann scheiden ließ, eine Situation mit der Lavenne noch immer nicht klar kommt. Sie erzählt und durch entsprechend verstehendes Zuhören erzählt sie mehr, vergegenwärtigt das Geschehene und weint. So ergibt sich im Bus eine Therapiestunde zur Trauerbewältigung unter Einbindung ihrer presbyterianischen Ausrichtung. Ansonsten weiß sie interessant zu erzählen von ihren Reisen nach Uganda, dem Aufenthalt in Mexiko mit ihrem Freund zur Zeit des Vietnamkrieges, Alaska und ihrer Herkunft von deutschen Eltern aus Montana.

Sie ist auf der Suche, begreift sich als im Umbruch stehend und möchte jemanden an ihrer Seite der mitgestaltet. Wir reden über die Möglichkeiten, wie viele Menschen in unserem Alter den Umbruch „irgendwie“ wollen und wie wenige es tatsächlich tun. Und wo findet man Menschen, die eben dieses ernsthaft wollen und eigene Lebensgewohnheiten, materielle Rahmenbedingungen, eigene Einstellungen zur Disposition stellen um sich neu zu orientieren? Denn wer an dieser Stelle nichts zur Disposition stellen mag, der will nur einen neuen Anstrich aber kein anders geartete Leben. Und erst recht wird so ein Mensch nicht im Stande sein eine neue Beziehung tragfähig mit einer gleichberechtigten Person gestalten können. Die praktische Antwort auf dieses Problem liegt in der Nutzung des Internettes, denn  nur darüber bekommen wir Zugriff auf die Offerte andere Menschen mit ähnlicher Problematik, vorausgesetzt man ist selber bereit ohne Versteckspiel zu sagen was man sucht.

Lavenne begleitet uns auf der Busreise.

In Orange Walk Town steigen wir aus und nehmen uns ein luxuriöses Zimmer im Orchid Palm Inn, direkt an der Hauptstraße der Kleinstadt, gute Betten, Internetanschluss, sogar ein Filterkaffemaschine ist auf dem Zimmer, eben Luxus pur! Gleich in der Lobby vermittelt uns ein sympathischer Kugelmensch die von uns gewünschte Bootstour auf dem New River, 35 Meilen flussaufwärts und retour an einem Tag, jede Menge Natur und eine Mayaruinenstadt als Draufgabe am Scheitelpunkt der Reise.

Abends wären wir gerne noch essen gegangen, aber finden kein ansprechendes Restaurant, gar nicht schade, denn ein düster aussehender chinesischer Schnellimbiss produziert lecker und schnell gegrilltes Hähnchen und ausgebackene Shrimps für ein Geringes, Leckereien, die wir samt etwas Bier und einem Campari für ein abendliches Churchilbier mit auf unser Luxuszimmer nehmen.

Ich schlafe nachts wunderbar, Helga verschmäht die luxuriöse Bettstatt und hängt wie ein Junkie bis 04:00 morgens  am Internet, versucht unsere Website zu verbessern und zerschießt uns dabei die Bilderdatenstruktur, viel Mühe viel Frust!

Am Morgen werden wir abgeholt, es geht runter zum Fluss. Dort finden sich 16 Teilnehmer für die Bootstour ein, darunter auch Lavenne, die direkt in der Kneipe am Bootssteg untergekommen ist. 40 US$ kostet die Tour pro Person, aber wie sich zeigen wird, ist es das auch wert. Das offene Boot ist groß genug für die Passagiere, der 2 Takter Yamaha Außenborder mit 150 Ps bringt das Boot auf ca. 20 Kn. Gleitfahrt, es legt sich rasant in die Kurven, der Flusslauf ist mäandert sich viele Kilometer weit hin bevor die Lange Lagune im Süden erreicht wird, an der die Ruinenstadt  Lamanai liegt.

Der Fluss war schon zur Mayazeit eine wichtige Verkehrsverbindung in Nordsüdrichtung, in der Luftlinie sind noch heute  von der Corozal Bay im Norden bis zum Ende der New River Lagoon im Süden 100Km schiffbar. Auch die Spanier und danach die Engländer nutzten diesen Wasserweg, allerdings lange nicht in dem Ausmaß wie die Mayas, zu deren Blütezeit über eine Millionen Mayas im Gebiet des heutigen Belize lebten, heute hat der Staat gerade 250000 Einwohner. Lamanai selber hatte einstmals 60.000 Einwohner, die Stadt wurde auf einer künstlich errichteten Plattform von mehreren km² Grundfläche am Ufer des sumpfigen Flusses errichtet, heute lebt dort nur der Museumswächter. Etwas entfernt von den Ufern haben Mennoniten ihre Dörfer errichtet, sie leisten fast die gesamte landwirtschaftliche Produktion des Landes, obwohl sie erst 1958 nach Belize eingewandert sind.

Die Ufer sind von dichter Vegetation gesäumt, Palmen, und eine Art Südwassermangrove, die in dem schlammigen Süßwasserrevier hervorragend gedeiht. Über flachem Wasser wuchern Seerosenfelder , ein beliebter Ort für Reiher Enten und den Jesusvogel, ein bunter Geselle, der auf langen Füßen schreitend die Seerosenblätter als benutzt und so den Eindruck erweckt er schreite über das Wasser. Am Ufer liegen Krokodile teils im Wasser teils an Land, das schwarze mit dem fast bläulich schimmernden Rücken ist eine Süßwasserspezies, es wächst zunächst an die 11 cm pro Jahr wird über hundert Jahre alt, es muss sehr gesund sein ein Krokodil zu sein! Vereinzelt sind auch die runden Rückansichten von Schildkröten zu sehen, die auf umgestürzten Baumstrünken in der Sonne liegen aber sich bei der Annäherung des lauten Bootes fix verziehen. Der Bootführer ist gut geschult, kennt die Tiere und deren Standorte im Revier, er kann sie auch gut beschreiben. Vereinzelt begegnen uns gepaddelte Kanus, einfach aus Planken zusammengezimmert, oder auch Einbäume, in denen angelnde Fischer hocken.

In der Mitte der Strecke befindet sich eine Zuckerrohrmühle, die noch in Betrieb ist, rostige Schuten liegen am Ufer, ebenfalls noch in Benutzung, mit denen der Rohzucker auf dem Fluss mit einem Schlepper bis zur See in die Corozal Bay geschleppt werden. Flussabwärts von der Fabrik ist der Fischfang für die Einheimischen besonders ergiebig, weil die Abwasser der Fabrik zur Ernährung der Fische und anderer Kleintiere beitragen. Und von denen leben dann auch die Krokodile, die am Ende der Nahrungskette stehend hier keine natürlichen Feinde haben, auch den Menschen nicht, denn sie stehen unter Naturschutz.

Irgendwer muss den Viechern dieses erzählt haben, denn sie sind äußerst regierungsloyal. In Orange Walk Town sollte ein Gefangener vor Gericht gestellt werden; er riss aus und sprang auf der Flucht in den Fluss um am anderen Ufer im Dickicht unter zu tauchen. Die Krokodile kamen, schnappten ihn am Jackett und zogen ihn an das Ufer direkt vor die Füße der Polizisten, die zu verdutzt waren um fortzulaufen. Die Krokodile warteten noch bis die Polizei diese Dankesgabe eingesammelt hatte und gingen erst dann wieder ihren üblichen Tätigkeiten nach. Da mag natürlich keiner den Schutz für diese Freunde der Ordnung aufheben, selbst wenn sie überhand nähmen!

Enge Flussabschnitte wechseln mit weiten Blicken, Seitenarme sind für den Ortsunkundigen verwirrend, Inseln im Fluss und Untiefen würden für den Unkundigen die Navigation schwierig machen, aber unser Guide kennt das Revier anscheinend genau und fährt zügig den Fluss aufwärts, jedoch mit Pausen und langsamer Fahrt sobald es etwas besonders zu sehen gibt, Falken, Kingfischer, allerlei bunte Vögel deren Namen ich nicht behalten habe, die aber das Auge erfreuen. Dann öffnet sich der Fluss zur Lagune hin , der Blick wird weit, am westlichen Ufer erscheint über den Baumkronen eine Ruine, im Osten lässt ein Waldbrand eine Rauchwand hochsteigen. An einem Steg legen wir an. Unterhalb der Ruinen befindet sich eine Picknikarea, dort gibt es ein recht leckeres Mittagsessen und danach erklärt uns der Guide die Grundzüge der Ruinenstadt, die früher 60.000 Einwohner hatte und von der jetzt erst 5% ausgegraben wurden. Bei den vielen Ruinen die dieses Land aufweist, könnte die gesamte Bevölkerung mit den Ausgrabungen beschäftigt werden und sie müssten noch immer Arbeiter importieren, man müsste nur einen entsprechenden Sponsor finden. Die Ruinen sind mal wieder spektakulär, der Blick von dem besteigbaren höchsten Tempel bietet ein Dschungelpanorama mit Lagune. Der umgebende Urwald mit seinen riesigen Bäumen, Palmen, Lianen , Luftwurzeln, Farnen, die als Saprophyten in Astgabeln wachsen, den Brüllaffen und Vögeln ist faszinierend und gleichzeitig sind wir über die Wege und Infrastrukturen froh, die es uns gestatten ohne Machete und aufwendige Expeditionen hier zu verweilen.

Der Ort Lamanai heißt übersetzt „versunkenes Krokodil“, der Ort hat früher eine weit überregionale Bedeutung gehabt und wegen seine inländischen Dschungellage bis in 16. Jh. überlebt, hier hat die Mayahochkultur sich bis zur Ankunft der Spanier noch halten können, an den anderen Orten waren die großen Städte schon 500 Jahre zuvor verlassen worden.

Ein Museum gibt es auch, allerdings eher dürftig ausgestattet.

Die Rückfahrt wird es zügiger ,doch sie hat durch die Farbspiele der jetzt tiefer stehenden Sonne ihren besonderen Reiz, die Farben werden kräftiger und kontrastreicher, es wird kühler, die Krokodile liegen weniger im Wasser, sondern stehen auf den Flussufern und beobachten den Bootsverkehr.