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Musik am Wochenende

Straßenmusikanten in Merida
Straßenmusikanten in Merida

Der Hut, etwas abgegriffen und fettig, sitz schräg, sein Besitzer singt mit funkelnden Augen zu einfachen  Gitarrenakkorden, fast regelmäßig im Rhythmus erscheint ein breites Lachen im Gesicht, verstärkt durch das glänzende Unterkiefergebiss, das von der Zunge etwas vorgeschoben wird, die Lippen breit auseinander zieht und dann beim Einatmen wieder eingezogen wird, umfältelt durch die lebhaften Runzel eines schon langen Sängerlebens. Sein Freund, etwas ernsthafter dreinblickend, versucht mit der  Geige passende Töne beizusteuern, er hat ein gutes Gespür dafür, denn nur wenn es ihm gelingt die Finger der linken Hand  richtig zu platzieren, kommt auch sein Bogen in Schwung, der dann  mit überraschender Klarheit  die Darbietung seines Kollegen herausstreicht.

Es ist der zweite Abend in Merida, der Hauptstadt von Yukatan. Inca und ihr Mann Edgar haben uns vom Hotel „Reforma“ abgeholt, der Abend ist angenehm mild, die Stadt lebhaft, der Verkehr lässt nach und ab 20:00h  werden die Straßen im Zentrum gesperrt, die Innenstadt wird zur Fußgängerzone mit Straßenkaffees und viel Musik.

Beide sind Biologen, sie arbeitet für eine Beratungsfirma, die im Auftrag der Regierung die Fischer schult um mit verbesserten Methoden die Erträge der Tintenfischerei  zu erhöhen  bei gleichzeitigem Schutz der Bestände. Außerdem entwickeln sie Methoden zur Aufzucht von Kalamares, die allerdings recht früh geschlachtet werden müssen, weil sie ab dem 6. Lebensmonat so schlau werden, dass ihnen die Flucht in die Freiheit gelingt, die Viecher scheinen   mehr Freiheitsliebe und Geschick als die Mayas zu haben, wobei sie noch nicht einmal die Gesichtsvermummung der Zapatisten brauchen, die bleiben einfach nackt! Kraft ist eben nicht von Textilien abhängig…

Edgar hat eine eigene Firma, irgendetwas mit der Erschließung von Zenotes für den Tourismus, genau verstanden haben wir ihn nicht. Wie bei anderen Kontakten hier im Land ranken sich auch bei ihm die Erfolgsphantasien weitgehend um den Tourismus, dort scheint allen der schnelle Peso zu liegen. Wir fragen nach der Nutzung der eigenen  Ressourcen und ernten damit nur fragende Blicke. Dass  wir dieses Land in einigen Teilen als reich und  voller Chancen sehen, die Fruchtbarkeiten ungenutzt erleben, die eigenen Ressourcen verschwendet werden, ist ihm ein fremder Gedanke, zu einfach erscheint es der Phantasie, Geld von Ausländern zu erhalten, zu mühsam die Erzeugnisses des eigenen Landes zu nutzen. Wir sehen wie Orangen tonnenweise unter den Bäumen vergammeln, jedoch überall polierte Cola Werbung erscheint, Plastikflaschen zu tausenden die Straßen und Strände säumen, Road mining wäre hier ertragreicher als Erdölproduktion offshore, Bewässerungsanlagen versprühen in der Mittagshitze das rare Wasser in hohem Bogen auf die Felder, die Hälfte verdunstet bevor es die Erde berührt, die Tropfen  sengen durch ihre Lupenwirkung Löcher in die Blätter, die Wurzeln erreicht das Wasser kaum. Die Liste ließe sich ohne weiteres fortführen, und dies auch ohne eingehende Landeskenntnisse. Nur wird hier auch von den gut ausgebildeten Leuten nicht in solchen Kategorien gedacht, der Schutz, die Nutzung und   Entwicklung des Vorhandenen spielt in deren Denken (noch) keine wesentliche Rolle.

Dagegen heben sich die Projekte, an denen Inca beteiligt ist wohltuend ab. Beide haben Kinder zusammen, die älteste ist 18 Jahre, noch sind sie nicht aus dem Geld und  die Sorge um eine gute Ausbildung steht im Vordergrund.

Tags zuvor sind wir erst am späten Nachmittag eingetrudelt, die Busfahrt war eher eintönig gewesen.

Merida hat einen weiten Gürtel von Vororten einige davon, besonders nach Osten hin, sind mit Villen bebaut. Die Dörfer im Umfeld machen allerdings einen eher ungepflegten Eindruck, ungeliebten Vororten gleich, deren Einwohner mehr auf das große Glück der Stadt hoffen als das eigene im Alltag zu fördern. Die Stadt ist in ihrem historischen Kern schachbrettartig angelegt, die alte Stadtmauer ist vielerorts noch erhalten unser Hotel fast zentral, der Busbahnhof peripher, was uns bei der Ankunft Gelegenheit gibt  zu Fuß den Weg ins Zentrum zu erleben. Unter den zahlreichen alten Gebäuden, deren hohe Mauern die Innenhöfe einschließen, sind einige schön restauriert, andere warten noch auf Rettung, aber es tut sich was, abgerissen wird nicht sondern wieder aufgebaut.

Kathedralen, Kirchen, öffentliche prunkvolle Plätze, ein Regierungsgebäude mit weitem Innenhof und heroischen Wandmalereien, die die Revolution und Freiheitskriege zum Thema haben sollen den Besucher beeindrucken. Auch hier müssen die Mayas wieder zur Legendenbildung beitragen, ihre leidvollen Mienen als Sklaven sind allerdings nicht so sehr verschieden wie die Mienen der Leute auf den Märkten Chiapas und hier in Merida sieht man eh fast keinen Indio auf den Straßen…

Wir  wollen Ruhe. So bunt und vielfältig, lebensfroh und musikalisch die Stadt mit ihren fast einer Mio.  Bewohnern daherkommt, uns reicht es. Helga fühlt sich schlapp, etwas grippös, also nehmen wir am nächsten Morgen den Bus Holbox, vor dem Rückflug nach Wien noch drei Tage Sonne, Meer und Strand, das sind lockende Aussichten.