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Eine überfahrt in Muße

Aufbruch, Haifische, Schwimmen mit dem Strom

Aufbruch! Endlich sind all die Dinge erledigt, Unterwasserschiff von all den Muscheln und Algen befreien, Segel vom Segelmacher retour, Stainless Steel Arbeiten abgeschlossen, Farbdefekte ausgebessert, Sanitär und Elektroarbeiten, all die kleinen  Dinge, die man hinterher schnell vergisst und gar nicht mehr wahrnimmt. Der Europabesuch liegt hinter uns, jetzt können wir weiter reisen. Wir wollen Brasilien verlassen. Es gäbe noch so viel in diesem Land mit seinen freundlichen Menschen zu sehen, doch uns zieht es mit Macht in die Karibik, angezogen von einer schwärmerischen Phantasie voller glasklarem warmen Wassers, blauem Himmel, bunten Fischen, Ankerbuchten und sauberen Stränden. Auch die zunächst geplanten  Zwischenaufenthalte in Surinam und Guayana  haben wir gestrichen, denn auch dort ist das Wasser braun und trübe durch die tropischen Flüsse.

Und so verlassen wir kurz nach Sonnenaufgang mit der einsetzenden Ebbe Philippes Marina in Jacare, wo wir nunmehr seit zweieinhalb Monaten die Twiga am Steg liegen hatten.

Ein Blick zurück, es ist alles recht vertraut geworden, die Marina, die ansässigen Handwerker, Alex, die anderen Segler, der kleine geschäftige Ort…

Einige Seglerfreunde sind schon vor einigen Tagen aufgebrochen, auch sie wollen nach Norden, allerdings erst nach Surinam und dann später in die Karibik.

Auf dem Fluss  liegt noch die Irish Mist vor Anker mit John und Denis, einem  Paar aus Südafrika; sie arbeitet an einem Buch über Bordmedizin.

Unter Genua und Maschine  passieren wir den Hafen von Cabadelo.

 Dann müssen noch  zwei Meilen durch das enge Fahrwasser zwischen den Sandbänken in der Flussmündung bewältigt werden, der Wind und die atlantische Dünung stehen gegen die Ebbe und heftige kurze Seen  schütteln die Twiga, ein steiler Brecher entert das Deck und grünes Wasser rauscht über das Kajütdach  bevor wir abfallen und auf Nordkurs gehen können.

Doch dann  ist das Wasser wieder blau und klar, auch der Himmel ist wolkenlos, die Sonne warm, der Wind angenehm kräftig, ein zügiges Segeln wie im Bilderbuch. Die See ist noch grob, aber die Welle kommt nun raumschots daher und die Twiga wird rhythmisch einige Meter angehoben  um danach ins Wellental zu sinken.

Das Rigg und die Beschläge  werden wieder täglich kontrolliert, eine leichte

 

Seekrankheit befällt uns, nicht arg, aber doch  ermüdend. An den  Wachrhythmus  gewöhnen wir uns bald wieder,  ich mache Siesta von 17:00h-19:00h, dann Wache bis 02:00, danach ist Helga dran   bis in Morgen; so gegen 09:00 komme ich meist wieder an Deck. Tagsüber passt jeder ein bisschen auf, eine formale Wacheinteilung  führen wir nicht durch und das klappt so recht entspannt, ähnlich waren wir auch auf der Atlantiküberquerung unterwegs.

Bald ist die brasilianische Küste verschwunden, wir segeln zunächst dreißig Meilen vor der Küste, die Twiga rauscht mit 7 bis 8 Knoten nach Norden.

Mich hat der Europaaufenthalt  ermüdet,  mein Hirn läuft auf Sparflamme, das Kindle E Book bietet mir Unterhaltung mit Romanen aus anderen Welten, irgend wie hat die zeitweise Beschäftigung mit Dingen, die rein gar nichts mit meinem tatsächlichem Leben zu tun haben für mich einen sehr erholsamen Wert. Alkohol gibt es unterwegs keinen und er geht mir auch nicht ab, obwohl  vor Anker und im Hafen ein Sonnenuntergang ohne Sundowner  wie ein Buch ohne Buchstaben wär. Ich schlafe viel  und freue mich an den kleinen Dingen unseres Alltags; dem Rauschen des Heckwassers, den harmonischen Bootsbewegungen, den springenden Fischen,  den Möwen und Schwalben, die auf Besuch kommen, dem warmen Wind auf der Haut, Berührungen und Verführungen.

Nur einen Tag brauchen wir bis zum 05 Breitengrad, vorbei an Natal. Eine größere Gruppe Segler begegnet uns dort, sie segeln auf offenen  traditionell geriggten Booten, offensichtlich eine Regatta.  Diese Segler werden die einzigen  bis nach  Tobago  bleiben, ansonsten begegnen uns nur Frachter.

Nach Natal  biegt die brasilianische Küste nach Nordwesten ab und wir können den Kurs direkt auf Tobago absetzen. In den nächsten 14 Tagen bringen uns mäßige bis schwache Winde und die Strömung des Äquatorialstromes  kontinuierlich und geruhsam voran. Die Genua  wird nach backbord ausgebaumt, der  Wind kommt wechselnd, doch fast immer von achtern, der Autopilot hält Kurs nur gelegentliche Regenschauer mit Starkwindböen sorgen für seglerische Abwechslung

Die Angel, eine Schleppleine mit einem Plastikköderfisch,  liegt draußen und  gerade rechtzeitig  für ein Festmahl bei der Äquatorpassage  beißt ein kleiner Thunfisch,  seine Farben schillern in Blau und Gelb, weit leuchtend, wir freuen uns und gleichzeitig bedauern wir  ein so schönes Tier zu töten.

Der Kampf des Tieres dauert nur kurz und eine  viertel Stunde später ist der Fisch zerlegt, vier Kilo schieres Fleisch sind die Ausbeute.

 

 Ein leckeres Thunfisch Sushi gibt es zur Feier des Tages, ein fein aufgeschnittenes geschnittenes  Filetstück mit einer Marinade  aus Olivenöl, Knoblauch, Zwiebel, Limette, Orange, Pfeffer.

Und heute, nur heute! gibt es auch ein Bier, denn wir überqueren zum ersten Mal auf See den Äquator.  Auf eine „ Taufe“  müssen wir verzichten, denn obwohl wir Neptun, Poseidon, Rasmus mit all seinen Namen anrufen und ihm  brasilianischen Zuckerrohrschnaps spendieren, kommt er nicht an Bord sondern nimmt unsere Gabe gelassen hin. Allerdings – dem Meeresgott sei Dank! – hat Rasmus das riesige, breite, den Globus umspannende rote  Äquatorband so weit abgesenkt, dass wir ohne es zu sehen oder uns darin zu verfangen  den Äquator ohne Havarie überqueren können; tja, was so ein Schluck Schnaps alles bewirken kann…

Durch unsere Wacheinteilung fallen Sonnenuntergänge und die Aufgänge in Helgas Wachzeit, farbenprächtige  Wolkenspiele, so ganz anders als das novembergraue Verdämmern der nordeuropäischen Tage.

Die Nächte werden auf dieser Reise von dem zunehmenden Mond beleuchtet,  dies ist das Privileg meiner Wache, denn wenn Helga übernimmt steht er schon tief, dicht über dem Wasser, dann treten die Sterne klarer hervor, am nördlichen Horizont ist der Große Bär zu sehen, der Nordstern ist jedoch noch nicht aufgetaucht.

Die Nachtwachen gehen relativ schnell vorbei, regelmäßig Ausschau halten, den Wellen und dem Heckwasser lauschen, manchmal ziehen Regenwolken   heran, zunächst nur auf dem Radarschirm erkennbar, doch dann, wenn sie nicht vorbeiziehen sondern unsere Bahn kreuzen, gibt es viel Wind und Sturzbäche voller frischen Wassers.

Schwalben und Möwen besuchen uns, obwohl wir bis zu 150 Meilen von der Küste entfernt segeln, einige fahren als blinde Passagiere nachts mit, andere umschweben die Masttop fasziniert und angeleuchtet von dem Rot und Grün der Toplaterne, wenn ich hochschaue, der Vogel seine Position ändert erscheint die Möwe  schwebend mit weit ausgebreiteten Flügeln mal rot mal grün, so als seien dort zwei Artisten in einem Wechseltanz auf der Bühne.

Doch auch die Tage haben ihre  Farben, die Regenbögen haben es uns besonders angetan.

Die fliegenden Fische sorgen immer wieder für Unterhaltung, an Deck landen nur ganz selten welche, und dann nur sehr, sehr kleine. Bernard Moitessier schreibt von großen Fischen, so groß, dass er sie als willkommene Bereicherung seines Speiseplanes erlebte.  Sie fliegen, so schreibt er, auf der Flucht vor den Doraden, die jedoch  dicht unter der Oberfläche genau so pfeilschnell schwimmen wie der fliegende Fisch  durch die Luft jagt. Die Dorde verfolgt den Flieger, beobachtet ihn und wenn dieser wieder in das Wasser eintaucht, kann es sein, dass er direkt der Dorade in Maul fliegt,  Saltimboca auf maritim…

Nun, auch ohne fliegende Fische auf dem Teller bleibt uns das Anglerglück treu. Einige Tage nach dem Thunfischfang – er ist weitgehend verspeist, im Tiefkühlfach ist wieder Platz! -  haben wir die Schleppangel wieder ausgelegt.

Auf dem Kajütdach im Schatten der Genua genießen wir einen weiteren gemächlichen Segelnachmittag, Helga sieht , dass die Leine zu beiden Seiten hin und her ruckt, ein Fisch ist an der Angel.  Langsam holen wir ihn heran, es ist ein kleiner Hai, so um die 5- 6Kg schwer, Gott sei Dank nicht größer. Andere Segler haben uns von Fängen berichtet mit 65 Kg Fisch,  solche Mengen könnten wir gar nicht sinnvoll verwerten, doch unser heutiges Opfer hat genau das richtige Format. Zunächst kämpft der Hai wild zappelnd am Haken hängend, dann erinnere ich mich an die Schilderung von Thor Heyerdahl, als sie von der Kontiki aus die Haie mit der Hand gefangen hatten in dem sie die Tiere am Schwanz packten und in die Höhe zogen; der Magensack soll dann so auf die Kiemen drücken, dass das Knorpeltier darauf hin schnell schwach wird; so auch hier, der Kampf ist dergestalt zügig beendet und nach weiteren zwanzig Minuten ist das Fleisch aufbereitet,  Haut, Innereien, Wirbelsäule und Kopf gehen zurück ins Meer.

Nur wenige nahe Schiffbegegnungen ereignen sich. Die meisten Frachter sehen uns und wir sie schon viele Meilen vor einer Begegnung auf dem AIS, eine kleine Kurskorrektur und der Passierabstand ist dann mindestens 2-3 Meilen weit. Ein Forschungsschiff, das eine mehrere Meilen lange Trosse mit Sonareinrichtungen schleppt, sie suchen damit nach Erdöl und Gas, wird von einem  Kutter begleitet, der vorrauseilt um den Weg frei zu halte.

Ein Fischer, der in 50 Metern Abstand passiert während Helga beobachtet wie sie einen riesigen Fisch an Bord ziehen, bietet eine spannende Abwechslung.

Einem Kriegsschiff der britischen Marine, das einfach nur mitten auf dem Atlantik ohne Fahrt zu machen genau auf unserem Kurs liegt nähern wir uns  mit  vier Knoten Fahrt. Erst eine halbe Meile vor einer Kollision  dreht der Brite die Maschinen auf und rauscht davon, na klar, schließlich haben wir als

Segler das Wegerecht!  Wir dippen zum Gruß und Dank die Flagge, aber die Briten reagieren darauf nicht, mag sein, dass sie den Flaggengruß von nackten Seglern für  unwürdig hielten...

Während wir die Küste von Fanzösisch- Guyana und Surinam in ca. 60 Meilen Entfernung passieren    hört Helga  auf einem Hörbuch den Roman „Papillon“, der Besuch der Teufelsinsel wäre sicherlich auch interessant, aber nein , nach wie vor lockt das klare Wasser der Karibik und die Reise selber ist so schön, dass wir gar nicht irgendwo vorzeitig ankommen wollen. Die relative Landnähe macht sich bemerkbar, der südliche Himmel ist durchgehend dicht bewölkt, Petrus sendet seine Gaben an den tropischen Regenwald.

 Doch wir blicken nach Nordwesten dort, wo der Horizont heiter  und hell ist

Noch zwei Tagen und wir werden in Tobago ankommen.

Helga ist schon seit einiger Zeit fleißig mit dem Laptop, schreibt Reiseberichte und Briefe, die sie von  Tobago aus  versenden will,  mir fehlen dieser Tage die Worte; Bilder bearbeiten, braucht auch seine Zeit und  macht mir auch Freude, über die Bilder kommen auch  - meist etwas später-  auch wieder die Worte und Zusammenhänge.

 So wird  die Plicht zum Schreibplatz, ein jeder an seinem Laptop, ein wahrlich privilegierter Arbeitsplatz, mitten in der Weite der Natur, schattig unter dem Bimini, das auch unter Segel aufgespannt bleibt, auf Wunsch gibt es gekühlte Getränke.

Nach 14 Tagen und 17 Stunden lassen wir den Anker im Hafen von Scarborough auf Tobago fallen auf  gut haltendem Schlickgrund in der Nähe  der Fähranleger. Es ist  genau Mitternacht, Vollmond, der Hafen ist überall beleuchtet,  es gibt genügend Platz, die Übersicht ist gut. Eine französische Yacht liegt ebenfalls vor Anker. Eintrag ins Logbuch, Maschinen stop,

und dann gibt es ein kaltes Ankerbier!